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Fraktionserklärung: Wahlkampf und Covid-19-Situation

Man könnte die ganze Geschichte als einen weiteren, beschränkt lustigen Beitrag einer oder zweier Internet-Trolle abtun (siehe Bild unten). Einmal mehr macht man sich über impfkritische Menschen in unserer Gesellschaft lustig. Man stellt sie je nach Situation als dumm, unsolidarisch oder sture Idioten hin. Man spricht ihnen das Recht ab, selbst zu entscheiden, was für sie und ihr Leben richtig ist. Sie sind verantwortlich, für die Überlastung in den Spitälern, für die Einschränkungen im Leben und überhaupt generell, dass es die Pandemie immer noch gibt. Stellvertretend darf Maria Wegelin den Kopf dafür hinhalten.

Selbstverständlich sind wir im Wahlkampf. Stadtrats-Kandidaten müssen einiges aushalten und sollen durchaus kritisch hinterfragt werden – gerade auch in dieser speziellen Pandemie-Situation. Was aber in den letzten Wochen und Monaten geschehen ist, sprengt das Mass des Erträglichen. Der Urheber und die Kommentatoren des gezeigten Facebook-Posts sind nur die Spitze des Eisbergs. Aber gerade von langjährigen Politikern, die gerne und pointiert provozieren, würde man etwas mehr Sensibilität erwarten. Insbesondere dann, wenn sie bei den Themen Inklusion und Gleichberechtigung immer anklagend in der ersten Reihe stehen. Gerne möchte ich an dieser Stelle in Erinnerung rufen, was Inklusion eigentlich bedeutet.

Jeder Mensch wird in der Gesellschaft akzeptiert, ist gleichberechtigt und kann selbstbestimmt an dieser teilnehmen. Und zwar unabhängig von Geschlecht, Religion, körperlichen Einschränkungen oder persönlichen Überzeugung. Unterschiede werden als Bereicherung aufgefasst.

Impfkritische Menschen müssen nicht nur die staatlichen Restriktionen ertragen. Sie werden auch in nahezu allen Medien kritisiert, verurteilt und teilweise verunglimpft. Im Internet und in den sozialen Medien gibt es bezüglich Niveau ohnehin keine Grenzen.

Menschen, die den Covid-19-Impfstoff ablehnen oder diesem kritisch gegenüberstehen, stellen immerhin fast einen Drittel unsere Bevölkerung dar. Viele von ihnen haben aus persönlichen, medizinischen, religiösen oder wissenschaftlichen Gründen entschieden, sich die neuen Impfstoffe nicht spritzen zu lassen. Diese Menschen gibt es in allen Parteien, in allen Bildungsschichten, in unserer Verwaltung, in allen Berufen und in allen Regionen – auch in diesem Saal. Sie werden wahlweise als Covidioten, Pandemie-Treiber, Verschwörungstheoretiker, Coronazis oder Schwurbler beschimpft – übrigens auch schon in diesem Parlament. Eine sachliche Diskussion wird durch diese Stigmatisierung von vornhinein verhindert.

Ob aber die staatlichen Massnahmen oder die Impfung mehr Nutzen oder Schaden anrichten, wäre durchaus eine politische Diskussion wert. Ich sage und meine das insbesondere als Impfbefürworter. Auch die, die sich heute moralisch überlegen fühlen, wissen erst in einigen Jahren, welcher Weg in dieser Pandemie wirklich klug gewesen wäre. Gerade deswegen ist es unglaublich, was einem Teil unserer Bevölkerung neben den staatlichen Einschränkungen auch psychisch zugemutet wird. Oder wie es ein Bekannter von mir einmal so treffend formuliert hat:

In der Diskussion rund um die Covid-19-Massnahmen fühlt sich ein impfkritischer Mensch wie ein Schaf, das mit vier Wölfen diskutieren muss, was es zum Abendessen gibt.

Leider sind durch die Pandemie auch einige Parlamentarier in diesem Parlament zu dem verkommen, was sie ursprünglich einmal bekämpft haben. Da helfen weder die Voten über Gleichberechtigung noch die Regenbogen-Fahne am Balkon. Das ist schade!

Für Maria Wegelin hat die Rolle des Sündenbocks allerdings Konsequenzen. Obwohl sie sich immer an alle Regeln gehalten hat, bleibt es nicht bei den Witzen und Anfeindungen in den sozialen Medien. Anonyme Briefe und Hasskommentare kommen auch per Post. Es werden YouTube-Beiträge mit privaten, familiären Details gepostet und den lokalen Zeitungen zugespielt. Aus dem Zusammenhang gerissene Video-Ausschnitte mit verunglimpfenden Kommentaren zirkulieren. Es wird ihr gedroht – Familie und Kinder werden ausgegrenzt.

Das passiert selbstverständlich alles anonym, mit falschen Namen und Fake-Mail-Adressen. Der Landbote hat inzwischen eruiert, dass es sich bei einigen Namen der Fake-Adressen um ehemalige, verstorbene Spitzensportler handelt. Aufgrund des Ausmasses der Bedrohungen beschäftigen sich mittlerweile auch Spezialisten der Polizei mit dem Fall.

Ihr seht, solche Facebook-Witze sind tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs. Und natürlich verurteilen die Urheber jeweils Folgeaktionen und beleidigende Kommentare. Die Follower leisten jedoch ganze Arbeit und fühlen sich bestätigt. Ich mache an dieser Stelle explizit niemanden in diesem Saal für die vorher erwähnten Missetaten verantwortlich. Ein Diskurs und auch Witze müssen möglich sein. Ich erwarte jedoch gerade in dieser Zeit von Politikern, dass sie nicht zusätzlich Öl ins Feuer giessen.

Für den Wahlkampf unserer Stadtratskandidaten darf ich zum Schluss folgendes verkünden: Beide Kandidaten können an Podien und Anlässen uneingeschränkt teilnehmen. Beide Kandidaten fallen unter die 2G-Regel. Damit haben sich hoffentlich die Erniedrigungen erledigt und wir können über die realen Probleme der Stadt diskutieren.

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SVP Stadtparlamentarier (ZH)
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