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Referat

Votum im Namen der SVP-Fraktion zum Corona-Management von Stadtrat und Stadtverwaltung

Gemeinderatssitzung vom 25. Mai 2020

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
liebe Kolleginnen und Kollegen

Die SVP-Fraktion dankt dem Stadtpräsidenten für seine Worte zum Krisenmanagement und der Verwaltung für die Tätigkeit während der Corona-Lage. Wir anerkennen gerne, dass viele Mitarbeitende der Stadt sich in dieser Krise stark eingesetzt und engagiert haben und damit wichtige Bereiche und Leistungen aufrechterhalten haben.

Die aktuelle Situation ist die schlimmste Krise und grösste Herausforderung, welche unser Land seit dem Zweiten Weltkrieg erleben musste. Für uns ist es daher eminent wichtig, ja schlicht unerlässlich, dass nun nicht einfach ungeprüft Lob und Lorbeeren verteilt werden und man sich virtuell auf die Schultern klopft. Nein, nun muss das Management während der Krise sauber analysiert, bewertet und aufgearbeitet werden. Ansonsten vergeben wir uns die einmalige Chance, die nötigen und wichtigen „Lehren aus der Krise“ zu ziehen und diese Erkenntnisse gewinnbringend für die Vorbereitung auf kommende Krisen zu nutzen. Aus unserer Sicht ist es die Pflicht dieses Parlamentes Arbeit, Entscheide und Vorgehen von Stadtrat, Verwaltung und insbesondere auch die Tätigkeit des Stadtführungsstabes zu untersuchen und durchaus auch kritisch zu würdigen. Nach Art 28 Abs. 3 der Gemeindeordnung haben wir die Aufsicht über die städtische Verwaltung und diese sollten wir gerade jetzt wahrnehmen.

Wir sind uns wohl bewusst, dass die Führung und das Entscheiden in einer solchen Krise eine sehr schwierige Aufgabe darstellt und man gezwungen ist, basierend auf wenig Informationen rasche Entscheide zu fällen. Daher liegt es in der Natur der Sache, dass rückblickend Fehler geschehen sind und man danach immer schlauer ist. Aber genau aus dieser Erkenntnis heraus, muss es zwingend eine ehrliche, transparente, kritische und unabhängige Aufarbeitung und Würdigung geben. Da wir Menschen allgemein dazu neigen, dass wir gemachte Fehler abstreiten oder kleinreden ist ebenfalls bekannt. Der schottische Historiker Thomas Carlyle sagte genau dazu: „Der schlimmste Fehler ist, sich keines Fehlers bewusst zu sein“. Wenn wir dies zulassen, dann begehen wir eine Gralssünde im Krisenmanagement und haben für die Folgen dieser Sünde auch die Verantwortung zu tragen.

Erfreulich ist, dass es sehr gute Beispiele aus der Verwaltung im Zusammenhang mit der Corona-Krise gibt. So ist zu vernehmen, dass sich Mitarbeitende und Kader des Bereiches Alter und Pflege äusserst konstruktiv, zielgerichtet und flexibel in der Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital engagiert haben.

Zudem möchten wir dem Departementsvorsteher des DSS ein Lob für seine proaktive, zielgerichtete und transparente Kommunikation während der Krise aussprechen. So geht Krisenkommunikation und Stadtrat Galladé hat damit die Messlatte für die künftige Krisenkommunikation der übrigen Departemente und für den Gesamtstadtrat gesetzt.

Auch lobenswert erwähnen möchte ich den richtigen Entscheid hinsichtlich der Erweiterung der Aussenflächen von Restaurants und die Möglichkeit für neue Aussengastwirtschaften. Für solche einfache aber effektive Hilfe und den Abbau unnötiger bürokratischer Hürden ist dem Stadtrat wirklich zu danken. Leider gibt es dazu einen Wermutstropfen und das ist die zeitliche Dimension. Die Stadt Zürich erlaubte das gleiche Vorgehen für Restaurants bereits Anfang Mai, also rund drei Wochen früher. Unverständlich, auch wenn seitens Stadtrat damit argumentiert wurde, dass die rechtlichen Abklärungen des Bau- und Sicherheitsdepartementes einfach diese Zeit in Anspruch genommen hätten. In einer Krise sind drei Wochen eine sehr lange Zeit und da wäre auch bei den Departementsjuristen etwas Agilität gefragt.

Es gibt bedauerlicherweise einige Beispiele und Vorgänge, welche von Stadtrat und Verwaltung nicht gut gelöst wurden, wo sich Vorbereitungen als ungenügend erwiesen, schwere Fehler begangen wurden oder auch Kompetenzen über Gebühr belastet wurden.

Wir haben zum Beispiel starke Hinweise darauf, dass die seit mehreren Jahren existierenden Pandemiepläne der einzelnen Departemente oder Bereiche vielfach Papiertiger“ geblieben sind. Aus diesen Plänen sind also keine Massnahmen und Vorbereitungen umgesetzt worden und diese Amtsstellen waren daher auch nicht auf diese Pandemie vorbereitet. Ein bedauerliches Beispiel dafür sind die unvollständigen Vorbereitungen, sowie inhaltliche und materielle Mängel beispielweise im DSU und bei der Spitex.

Ein weiterer Punkt betrifft die Aufstellung, konkrete Aufgaben, Zusammensetzung und Entscheidungs-findungsprozesse des Stadtführungsstabes, welche allesamt höchst intransparent sind. Die Entscheidungen und Empfehlungen des SFW sind detailliert zu analysieren und zu bewerten. So ist unter anderem, aus demokratiepolitischen Gründen, die unzulässige Einflussnahme des Stadtführungsstabes auf die parlamentarische Arbeit beziehungsweise deren Fortsetzung oder Einstellung zu hinterfragen. Dies insbesondere im Licht der Weisungen des Bundes und dem Vorgehen anderer Parlamente im Kanton Zürich. Allgemein muss bei einer detaillierten Betrachtung und Auswertung der Massnahmen des Stadtführungsstabes festgestellt werden, dass wir in Winterthur schlicht immer hinterhergehinkt sind.

Ein ganz grosses Fragezeichen müssen wir aufgrund der vorliegenden Informationen hinter den Gesundheitsschutz der städtischen Mitarbeitenden in dieser Krise setzen. Der Schutz der Mitarbeitenden in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz ist eine der höchsten Pflichten eines Arbeitgebers. Leider können wir hier in diesem Bereich der Stadt wohl keine gute Note ausstellen. So haben an allen Ecken und Enden die nötigen Schutzausrüstungen gefehlt, die Versorgung mit Desinfektionsmitteln gestaltete sich an einigen Orten als schwierig und auch im Thema Instruktion der Mitarbeitenden lag einiges im Argen. So verfügten wichtige Bereiche wie die Spitex zumindest in den ersten Wochen über viel zu wenig Schutzausrüstungen und die Mitarbeitenden wurden erst mit sehr viel Verspätung über die geltenden Gesundheitsschutzregeln und anzuwendenden Schutzmassnahmen im Gesundheitsbereich informiert und unterwiesen. Ähnliches zeigte sich zum Beispiel auch im Departement Sicherheit und Umwelt am Beispiel der nicht koordinierten Schutzausrüstung und Schutzstufe für die unterschiedlichen Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr.

Ganz tragisch und höchst gefährlich ist die fachlich falsche, weil den BAG-Weisungen in mehreren sehr entscheidenden Punkten, widersprechende Anweisung des Stadtführungsstabes über das konkrete Vorgehen und Verhalten städtischer Mitarbeitenden bei Auftreten von Symptomen oder nach engem Kontakten mit Infizierten. Die Weisung des SFW an alle städtischen Mitarbeitenden weicht bei den Selbstisolations- und Quarantänezeiten teilweise bis zu 50% von den Vorgaben des BAG ab oder sieht im Widerspruch zum BAG überhaupt keine Massnahmen vor. Das ist höchst bedenklich und stellt für uns eine Gefährdung der Gesundheit der städtischen Mitarbeitenden dar, torpediert die Bemühungen der ganzen Gesellschaft und steht zu den staatlich verordneten Massnahmen gegenüber der Privatwirtschaft völlig quer in der Landschaft.

Verwundert musste man sich auch die Augen reiben über die einseitige staatliche Bevorzugung einer einzelnen Arztpraxis mit grosszügigen personellen und materiellen Leistungen des Zivilschutzes für eine Corona-Teststation, welche dann auch noch ein kostenloses Werbevideo unter aktiver Mitwirkung eines städtischen Chefbeamten im Fernsehen erhalten hat.

Andere Arztpraxen, welche wohl weniger gute, persönliche Verbindungen zu den städtischen Behörden haben, finanzierten und organisierten ihre Teststationen komplett selber und betrieben diese auch mit eigenem Personal. Hier muss die Frage erlaubt sein, was solches Tun eigentlich soll und auf welcher rechtsstaatlichen Grundlage solch anrüchigen Entscheide getroffen werden. Insbesondere auch wenn man den Umstand betrachtet, dass es diese Zuwendungen des Zivilschutzes überhaupt nicht gebraucht hätte. Die privaten Unternehmen aus Winterthur, wie zum Beispiel Lieferanten von Containern, Zelten und Sicherheitspersonal, hätten diese Leistungen jederzeit erbringen können. Gänzlich unverständlich wird solches Tun, wenn man bedenkt, dass wir unsere KMU an den wirtschaftlichen Abgrund geführt haben und daher Bund, Kanton und Stadt diesen finanzielle Hilfen zur Verfügung stellen mussten. Völlig abstrus, dass unsere Stadtregierung diese Unternehmen im gleichen Atemzug mit staatlichen Leistungen konkurrenziert und ihnen somit dringend benötigte Aufträge wegnimmt.

Auch im Bereich der Schule scheint es so, dass die erhaltene Macht durchaus ausgereizt oder doch überreizt wurde. Dem DSS und seinem Stadtrat ist es ja schon lange ein Dorn im Auge, dass das Departement gegenüber den Schulen und Schulleitungen nicht weisungsbefugt ist. Da kam die, mittels Notrecht scheinbar erhaltene, Macht wohl gerade Recht und wurde auch genutzt. Unter Auslassung der demokratischen Schulpflegen verschickte das Ministerium für Volksbildung mehrfach Weisungen und Vorgaben direkt an die Schulleitungen unter dem Vorwand eines Präsidialentscheides. Dabei muss man wissen, dass das kantonale Volksschulamt seiner Verantwortung stets nachgekommen ist und die Schulen ebenfalls mit entsprechenden Informationen und Weisungen versorgt hat. Man darf vermuten, dass hier Grundsätze der Krisenkommunikation, wie zum Beispiel „one voice“ aus persönlichen Animositäten heraus über Bord geworfen wurden, so diese Grundsätze denn überhaupt bekannt waren.

Wenn wir gerade bei der Kommunikation sind, so ist es für uns nicht nachvollziehbar, dass der Stadtrat in der Krise getroffene Entscheide nicht wie gewohnt kommuniziert hat. Zeitweise war die Internetseite der Stadtratsbeschlüsse derart verwaist, dass man dort digitale Spinnweben sah. Transparenz sowie eine offene, ehrliche Kommunikation sind aber eine der notwendigen Grundsäulen eines guten Krisenmanagements. Oder wie es Kollegin Romana Heuberger formulierte: „Seltsame Informationspolitik. Ausgerechnet dann, wenn auch das Parlament nicht mehr tagen darf, nur noch einen Teil der Beschlüsse zu publizieren finde ich – na sagen wir mal sehr speziell.“.

Einige dieser Entscheide des Stadtrates, welche unter dem Notrecht gefällt wurden, müssen definitiv kritisch hinterfragt werden:

  • Bei den Beiträgen an die Kitas ist es tatsächlich unverständlich, weshalb der Stadtrat über die, vom Kanton vorgesehene, 80% Regel (40% Kanton, 40% Gemeinden) hinausgegangen ist und in eigener Regie 100% der Beiträge übernimmt. Dass man den gesamten Kredit dafür auch noch als gebunden erklärt, wirft weitere Fragen auf. Ganz allgemein stellt sich die Frage, ob es sachgerecht ist, dass diese Kosten nicht auch zumindest teilweise von den Eltern übernommen werden müssen. Insofern ist dieser Stadtrats-Beschluss rechtlich zumindest fragwürdig, wenn hier von einem Schaden für die Kitas gesprochen wird. Ein Schaden im juristischen Sinne besteht meines Erachtens jedenfalls nicht. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb die Eltern, welche einen laufenden Betreuungsvertrag mit einer Kita haben, die Kosten nicht übernehmen müssen, wenn sie ihre Kinder freiwillig nicht in die Kita schicken, obwohl diese ihr Betreuungsangebot aufrechterhalten. Mit dieser Begründung haben im Übrigen die meisten Kitas die Eltern dazu angehalten, die laufenden Beiträge weiterhin zu bezahlen.
  • Der Kredit für die Betriebskosten Homeoffice RDP via Citrix wurde ebenfalls als gebunden erklärt. Für die einmalige Implementierung in der Höhe von 250‘000 Franken ist dies ja noch nachvollziehbar, nicht aber für die Kosten der nächsten drei Jahre. Hier entsteht schon der Eindruck, dass sich der Stadtrat beim Regieren mit Notrecht ziemlich wohl fühlt und gerade noch einige, demokratisch nicht bewilligte, Steuerfranken auf Vorrat ausgibt.
  • Beim Thema Nothilfe für Selbständige und Kleinstbetriebe muss man die Frage der rechtlichen Zulässigkeit nicht in den Vordergrund stellen. Aber bei diesen Krediten ist es sehr wichtig und interessant zu erfahren, wie der Stadtrat ganz konkret das Missbrauchspotential, also Kreditbezüge durch Unberechtigte, eindämmt und was er für Massnahmen in Bezug auf das Controlling eingeleitet hat.

Mit dieser Kritik und besonders auch in Anbetracht der aktuellen Situation ist die glasklare Erwartung an den Stadtrat verbunden, dass er ab sofort wieder ohne Notrecht agiert und in den verfassungskonformen Rahmen unter Einbezug von Volk und Parlament zurückkehrt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Stadtrat und Verwaltung haben sich in dieser Krise wohl redlich bemüht ihren Job zu erledigen. Die genannten Beispiele und Vorkommnisse sind aber lediglich eine Auswahl an prüfungswürdigen Entscheiden und Feststellungen aus dem Themenfeld der Krisenbewältigung in unserer Stadt. Da könnte ich Ihnen noch viele weitere Beispiele präsentieren, manche sind beinahe lustig, wenn sie nicht wirklich bedenklich und traurig wären. Zu nennen sind hier zum Beispiel  die geschlossenen Toiletten und Lavabos für die freiwillige Feuerwehr im Feuerwehrlokal und dies während einer hygienischen Krise, die wiederholte Nicht-Einhaltung der für alle geltenden Abstands- und Hygieneregelungen bei Personentransporten des Zivilschutzes oder auch die völlig absurde Ressourcenknappheit beim Reinigungspersonal. Die Liste lässt sich leider noch um einiges verlängern und sehr viele Entscheide und Vorfälle sind uns wohl in den Tiefen der Stadtverwaltung verborgen geblieben.

Summa summarum stellt es sich für uns so dar, dass Stadtrat und Verwaltung sich in dieser Krise engagiert und bemüht haben, einzelne Exponenten haben sogar einen sehr guten Job gemacht. Unter dem Strich gibt es aber für Beifallsstürme und unkritisches Abnicken keinerlei Anlass. Aus unserer Sicht besteht der dringende Bedarf das Handeln, die Entscheidungswege und -befugnisse, die Kommunikation und insbesondere das korrekte Funktionieren der städtischen Krisenorganisation sowie einige gewichtige und zentrale Entscheide, einer vertieften und gründlichen Prüfung und Analyse zu unterziehen und die Ergebnisse dann auch zu beurteilen und zu würdigen. Um die richtigen Lehren überhaupt ziehen zu können, ist eine ehrliche und auch etwas bissige – von der Stadtverwaltung aber zwingend unabhängige Untersuchung – nötig. Andernfalls vergeben wir uns die Chance, uns zu verbessern und stehen bei der nächsten Krise wieder am selben Punkt.

Bedauerlicherweise mehren sich die Anzeichen, dass diese Analyse und Würdigung aber genau nicht unabhängig und kritisch stattfindet, sondern eher in einem inzestuösen Verfahren durchgeführt wird. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass offenbar dieselbe externe Beratungsperson, welche damals den neuen Stadtführungsstab organisatorisch mitaufgebaut, taktisch ausgebildet und beraten hat, nun offenbar das Mandat erhält, die Arbeit des Führungsstabes in dieser Krise zu analysieren und zu bewerten. Das wäre in etwa das Gleiche, wie ein Maurer, der eine krumme Mauer gebaut hat und dann am Folgetag als Baugutachter selber eine Expertise über seine Mauer erstellt. Solche Vorgänge sind höchst bedenklich, fragwürdig, zeugen nicht von einer nötigen und wichtigen Fehler- und Verbesserungskultur und sind ein schlechtes Vorzeichen für die Zukunft. So macht man das nicht, das ist unprofessionell.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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